Bachneunaugen - urzeitliche Vorfahren
Eine direkte Begegnung mit dem geheimnisvollen Bachneunauge ist selten möglich, denn die Tiere leben die längste Zeit ihres Lebens verborgen im Gewässergrund von kleinen Fliessgewässern. Während der Paarungszeit kann ein wildes Spektakel beobachtet werden - bis zu zwanzig Individuen schwänzeln kleine Laichgruben frei. Für den Laichakt saugen sich die Weibchen an einem Stein fest und werden von den Männchen umschlungen. Das Bachneunauge gilt als Zeichen für intakte Gewässerökosysteme mit guter Wasserqualität.
Lebensraum und Lebensweise
Das urzeitliche Bachneunauge kommt im Oberlauf von kleinen und grossen Fliessgewässern und in durchflossenen Seen vor. Für die Fortpflanzung benötigt der Kleinfisch Feinkies und Sandbänke für die Jugendentwicklung. Grössere Populationen findet man in der Schweiz noch entlang des Jurasüdfuss, im Aaretal und in der Linthebene. In der Region wurde das Bachneunauge in der Birs, der Wiese, im Mühleteich (Nebengewässer der Wiese) und im Birsig nachgewiesen.
Im Fortpflanzungsstadium braucht das Bachneunauge durchgängige Gewässer, um die Laichplätze zu erreichen. Neunaugen brauchen wie Bachforelle, Äsche und Lachs sauberen Kiesgrund, wo sich in den Zwischenräumen die Eier geschützt entwickeln können. Die geschlüpften Bachneunaugenlarven lassen sich von der Strömung abtreiben, um sich später in Sand, Laub oder Schlamm einzugraben. In diesen Kinderstuben wachsen die sogenannten Querder 3 bis 5 Jahre heran und ernähren sich von feinem organischem Material.
Anschliessend folgt eine Metamorphose (Verwandlung), bei der sich die Saugscheibe, die Augen und die Eier bzw. Spermien entwickeln, und sich der Verdauungstrakt zurückbildet. Nun wandern die erwachsenen Bachneunaugen flussaufwärts und graben zwischen März und Juni auf Sand- oder Kiesbänken kleine Gruben zur Eiablage.
Sobald die Bachneunaugen geschlechtsreif sind, nehmen sie keine Nahrung mehr auf und leben noch wenige Monate bis zur Paarung. Anschliessend sterben die Tiere.
Gefährdung und Förderung
Als letzte Überlebende der urtümlichsten Wirbeltiergruppe der Erde gehört das Bachneunauge zum Naturerbe der Schweiz und ist ein wertvoller Indikator für den Zustand unserer Gewässer. So reagieren die Bachneunaugenlarven (Querder) empfindlich auf Sauerstoffdefizite im Sediment. Da sich die Larven lange am selben Ort aufhalten, sind sie auch anfällig auf Gülleeintrag ins Gewässer oder unachtsamen Gewässerunterhalt. Die zehntausenden künstlichen Wanderhindernisse in unseren Gewässern versperren den adulten Bachneunaugen den Zugang zu geeigneten Laichplätzen, welche immer seltener geworden sind.
Durch die Nutzung der Wasserkraft wurde in den Staustrecken der oftmals kiesige Gewässergrund verschlammt und veralgt. Somit ging wichtiger Lebensraum für Kieslaicher wie beispielsweise das Bachneunauge, die Bachforelle, die Äsche oder den Lachs verloren.
Damit nicht noch mehr wichtige Gewässerabschnitte zerstört werden, muss der weitere Ausbau der Wasserkraft verhindert werden. Die Wiederherstellung der Fischgängigkeit, die Revitalisierung von Fliessgewässsern, ein rücksichtsvoller Gewässerunterhalt und eine Reduktion der Gewässerbelastung mit chemischen Substanzen gibt den Bachneunaugenlarven und Jungfischen wieder wertvollen Lebensraum zurück.
Wissenschaftlicher Name: Bachneunauge, Lampetra planeri
Verwandtschaft: Das Bachneunauge gehört zur Familie der Neunaugen (Petromyzontidae), zu welcher weltweit etwa 40 Arten gehören
Gefährdungsstatus (IUCN): Global: LC = nicht gefährdet, Schweiz: EN = stark gefährdet
Gefährdungsstatus gemäss Verordnung zum Bundesgesetz über die Fischerei (VBGF): 2/E = stark gefährdet, europäisch geschützt nach der Berner Konvention
Merkmal: Aalähnliche Körperform, aber Kopf mit Saugscheibe und sieben Kiemenöffnungen und Nasenloch
Körpergrösse: 15 - 25 cm
Gewicht: 15 - 25 g, maximal 40 g
Alter: 3 bis 6 Jahre, maximal 7 Jahre
Verbreitung: Nord-, Zentral- und Osteuropa. Bachneunaugen benötigen schnell fliessende Gewässerabschnitte mit kiesigem und sandigem Grund für ihren Lebenszyklus.
Tobias Walter, 2022