Heidi «Energie-Express» Portmann
Seit über vierzig Jahren setzt sich Heidi Portmann gegen Atomkraftwerke ein, seit über dreissig Jahren ist sie Präsidentin der Gewaltfreien Aktion Kaiseraugst und redigiert deren Zeitschrift «Energie-Express». Ihre Kraft und ihre Ausdauer scheinen unerschöpflich.
Ihre Gegner, das heisst die Befürworter der Atomenergie, haben ihr den Spitznamen «Atom-Heidi» verpasst. Offenbar fanden sie kein besseres Bild, um die Power der kleinen Dame zu veranschaulichen. Wenn schon müsste Heidi Portmann aber «Anti-Atom-Heidi» heissen.
Mittlerweile dürfen wir Heidi Portmann vielleicht nach der Zeitschrift benennen, die sie seit 31 Jahren herausgibt und redigiert: «Energie-Express». Das ist das Blatt der Gewaltfreien Aktion Kaiseraugst GAK ‒ Präsidentin seit drei Jahrzehnten: Heidi Portmann. Durch einen historischen Zufall fiel die erste Ausgabe des «Energie-Express» just mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 zusammen. Die Zahl der GAK-Mitglieder und damit der Abonnentinnen und Abonnenten stieg innert Jahresfrist von 200 auf 16ʼ000 an. Noch immer liegt die Auflage bei über 7000 Exemplaren.
In Heidi Portmanns Beiträgen im «Energie-Express» wird immer wieder etwas von ihrer Kraft und ihrem heiligen Zorn spürbar: Wenn Bundesrätin Doris Leuthard den Grenzwert für die Strahlendosis nach Erdbeben heraufsetzen will ‒ von einem auf 100 Millisievert, wobei in Japan Gebiete mit einer Strahlung ab 50 Millisievert nicht mehr bewohnt werden dürfen ‒, ist das für Heidi Portmann eine «wahnsinnige Verordnungsänderung» und ein «veritabler Skandal». Und wenn in Arlit in Niger der Uranabbau das Trinkwasser verseucht und zu schweren Erkrankungen der Minenarbeiter führt, ist für sie klar: «Schon alleine die Folgen des Uranabbaus in Arlit wären Grund genug, alle Atomkraftwerke in der Schweiz und auf der ganzen Welt abzustellen.»
Willensstark, zielstrebig
Beherzt und tatkräftig war Heidi Portmann schon immer. Als junge Frau lebte sie mit ihrem Mann in Gümligen, Kanton Bern. Der Kindergarten, den ihr erster Sohn dort besuchte, schien ihr «das Letzte», ganz und gar autoritär sei es da zugegangen. Portmann gründete kurzerhand einen eigenen Kindergarten und führte ihn jahrelang mit drei oder vier ausgebildeten Kindergärtnerinnen. Dieser «freie Kindergarten» lebte noch lange weiter, nachdem die Portmanns 1978 nach Arlesheim gezogen waren.
Während 16 Jahren politisierte Portmann als Parteilose in der SP-Fraktion des Landrats, schied dann wegen der Amtszeitbeschränkung aus. Mittlerweile ist sie der SP beigetreten. Sie amtete auch als Delegierte der Gemeinde Arlesheim bei der Elektra Birseck Münchenstein EBM. Im Herbst 2017 erhielt Heidi Portmann einen Ehrenpreis des Nuclear-Free Future Award.
Frech, aber sehr angenehm
Natürlich polarisiert eine Kämpferin wie Heidi Portmann. Der ehemalige Direktor der EBM, Hans Büttiker, fand sie «frech» und in ihrem Engagement «extrem», wie die «Basellandschaftliche Zeitung» berichtet. Urs Steiner hingegen, ehemaliger Geschäftsleiter der Elektra Baselland EBL, hat sie als «sehr angenehme Person» in Erinnerung. Sie sei aufgeschlossen und suche immer das Gespräch, bezüglich der Kernenergie aber sei sie «unerbittlich».
Atomenergie ist auch ungerecht
Seit der Besetzung des Baugeländes für das geplante AKW Kaiseraugst, also seit 1975, setzt sich Heidi Portmann gegen die Atomenergie ein. Auf dem Gelände gewohnt und übernachtet hat sie zwar nicht, aber sie war sehr oft dort.
Was war der Auslöser, woher kommt der Antrieb für ihren Kampf? Portmann sieht in der Nutzung der Atomenergie, genauer im damit verbundenen Risiko, eine Ungerechtigkeit. Es gebe kein Recht, den Menschen die Verstrahlung, das Massensterben, die Krankheit im Fall einer Katastrophe zuzumuten. Auf Hilfe, meint sie, müsste man ja drei Tage oder mehr warten, und diese Hilfe fiele sehr zweifelhaft aus. Man könne die Bevölkerung gar nicht schützen. «Auch Zivilschutzanlagen helfen kaum, Teile der Strahlung gelangen durch die Lüftung in die Schutzräume. Überdies ist es unzulässig, kommenden Generationen unseren für Jahrtausende hochgefährlichen Atommüll aufzubürden.»
Strahlende Bildungsreisen
Heidi Portmann hat zwar einen Chemiker zum Mann, der ihr viel über die Funktionsweise und die Gefahren von AKWs erklären konnte. Aber sie wollte mehr wissen und sich dieses Wissen selber erarbeiten. Die gelernte Handelsfachfrau studierte viel Fachliteratur, befragte Expertinnen und Experten und unternahm Bildungsreisen, die nun nicht gerade der allgemeinen Vorstellung des Bildungstourismus entsprechen: Sie reiste zu den Aufbereitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in Grossbritannien, sie besuchte eine Uranmine in Kanada und zweimal war sie in der Sperrzone um die Atomruine von Tschernobyl in der Ukraine.
Heidi Portmann schildert lebendig eine Landschaft, aus der die Menschen geflohen sind, viele von ihnen tödlich verstrahlt. «Eine Geisterlandschaft ist das, umherliegende Puppen schauen einen an, umgekippte Gartenstühle scheinen den hastigen Exodus aus dem Alltag zu illustrieren. Und alles ist überwachsen, überall blüht es ‒ welch ein aberwitziger Kontrast! Vor dem havarierten Reaktor standen wir etwa fünf Minuten. Das Rattern des Geigerzählers legte uns dann nahe, vielleicht besser weiterzugehen …»
Der 800-kWh-Haushalt
Die Portmanns versuchen auch, gemäss ihren Überzeugungen zu leben. Den Stromverbrauch in ihrem Haus drücken sie auf weniger als 20 Prozent des üblichen Verbrauchs (800 statt 4500 Kilowattstunden), wie in den Medien da und dort lobend erwähnt wird. Wie machen sie das? Einen nicht unwesentlichen Teil der Erklärung liefert die Tatsache, dass der Kochherd und die Warmwasseraufbereitung mit Gas funktionieren. Bei den elektrischen Geräten aber halten sich die Portmanns sehr zurück. Zum Beispiel haben sie keinen Kühlschrank! «In unserem Keller ist es kühl genug, um Lebensmittel aufzubewahren», hält Heidi Portmann fest. Selbstverständlich gibt es keinen Mikrowellenherd, keinen Ventilator, ja nicht einmal ein Smartphone im Haus: Die beiden teilen sich ein einfaches Handy, das nur selten in Gebrauch ist. Überhaupt werden die wenigen Elektrogeräte nur sparsam eingesetzt. Wennʼs nicht grad eilt, trocknen die Haare auch von allein, «und die Staubsaugerei übertreiben wir halt nicht gerade …», bemerkt Heidi Portmann mit einem verschmitzten Lächeln.
Heidi Portmann ist eine Langzeitaktivistin, aber verbissen oder bitterernst ist sie gar nicht. Darin liegt vielleicht das Geheimnis ihres langen Atems: Die 78-Jährige hat ihren feinen, wenn auch mitunter spitzen Humor nicht verloren.
Markus Bär
Erschien im WWF Magazin Region Basel im Dezember 2018.
Weitere Informationen:
«Nach über 45 Jahren ist Schluss: Die Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst (GAK) schliesst sich mit ihrer Schwesterorganisation NWA («Nie wieder Atomkraftwerke») zusammen. Das haben die GAK- Mitglieder Mitte August (2019) an einer ausserordentlichen Generalversammlung entschieden. Der altersbedingte Mitgliederschwund liess es nicht sinnvoll erscheinen, den Verein unter diesem Namen weiterzuführen. Der Widerstand gegen den Weiterbetrieb bestehender Atomkraftwerke und gegen immer wieder aufflackernde Ideen für neue AKWs lebt in der NWA weiter.»
Auszug aus der gemeinsamen Medienmitteilung vom 7. Oktober 2019 der beiden Organisationen NWA Schweiz und Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst.