Der Landschaftsgestalter

Rothenfluh im Ergolztal und seine Umgebung ist bekannt für die Naturwerte: die grossflächigen Trockenwiesen von nationaler Bedeutung oder die Ammeler Talweiher. Hier wirkt der NUVRA mit seinem Präsidenten.

Er ist die Ruhe in Person und ein Mann mit Tatkraft. «Ich bin Landschaftsgestalter», sagt Bruno Erny besonnen. Mit Gartenschere und Baumsäge in der Hand weist er auf den Südhang beim Dorf Rothenfluh: «Hier haben wir eine grossflächige Möblierung mit Kleinstrukturen umgesetzt: Hecken mit Krautsaum, viel Totholz, Kopfweiden, Trockensteinmauern mit grossen Hohlräumen, ein freigelegtes Bächlein mit Weidengebüsch, Eichen, Heckengruppen. Im Tümpel hat bereits im zweiten Jahr der Glögglifrosch gerufen.»

Garten Erny

Wir stehen im «Garten» von Bruno Erny «Im Langacker» mit weiter Sicht über das Ergolztal zur «Säge» Richtung Ormalingen. Über den herbstfarbigen Wäldern thronen die nackten Kalkfelsen der «Roti Flue» in der Sonne.

Bruno Erny erbte sieben Parzellen Land mit insgesamt zwei Hektaren, die nach und nach zu vielfältigen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere umgewandelt wurden. Aus Fettwiesen wurden über die Jahre leuchtende Matten: «Wo wir stehen, wuchsen vielleicht 25 Allerweltspflanzen – jetzt kann man über sechzig Gehölzarten, Kräuter und Gräser entdecken, und jede Art weist – über den Daumen gepeilt – auf zehn Insektenarten hin.»

Flurbereicherung

Bruno Erny wirkt nicht allein – er ist Präsident des NUVRA, des Natur- und Vogelschutzvereins Rothenfluh-Anwil. Die Aktiven und Vorstandsmitglieder helfen die Landschaft umgestalten, strukturieren und schaffen Raum für Natur. Der NUVRA betreibt vornehmlich praktischen Naturschutz, Biotop- und Nistkastenpflege. Der Verein betreut auch eine bedeutende Mehlschwalbenkolonie mit 600 künstlichen Nestern in beiden Dörfern. Diese Kolonie weist, entgegen dem allgemeinen Trend, zunehmenden Bestand auf.

Bruno Erny ist in Rothenfluh aufgewachsen und trat mit sechzehn Jahren dem NUVRA bei. Es war das Interesse an den Vögeln, die Faszination der Ornithologie. Seit über vierzig Jahren setzt er sich für Vielfalt und Kleinräumigkeit in seiner Heimatgemeinde ein. Ein bis zwei Tage in der Woche beschäftigt ihn das Anliegen. Beruflich leitet der gelernte Gärtner seit 27 Jahren den Botanischen Garten beim Spalentor mit acht Angestellten.

Als Gärtner und Botaniker gestaltet Bruno Erny bewusst. So zum Beispiel eine Hecke, die ausschliesslich mit einheimischen Rosenarten bestückt ist. Interessant ist auch der Eichenhag, eine alte Hagform zur Weideinzäunung. Die Eichenstämme setzt Erny in Abständen gemäss dem Goldenen Schnitt. Dies sei eine Spielerei. «Ich nenne das ‹Land-Art› mit historisch-biologischem Hintergrund, aber funktionell nachvollziehbar. Es ist eine lineare Struktur, die es in der Landschaft fast nicht mehr gibt, die auch eine ökologische Vernetzungsfunktion hat. Die Wirkung überlege ich mich schon. Aber auch die rein funktionelle Ausbildung hat eine ästhetische Wirkung.»

Verschiedene Projekte

Der NUVRA hat zahlreiche Projekte realisiert. So hat der Verein die Magerwiesen im Gebiet Holingen, insgesamt 300 Aren, gepachtet und einem Bauern weitergegeben, der sie schneidet und dafür die Biodiversitätsbeiträge erhält. Rothenfluh ist eine Baselbieter Gemeinde mit grosser Fläche an Trockenwiesen. Unter der Intensivierung der Landwirtschaft haben vor allem geschnittene Flächen, also Wiesen, gelitten. Magere artenreiche Wiesen wurden aufgedüngt und intensiviert oder an steilen Lagen in Weiden oder Wald umgewandelt.

Eine einschneidende Veränderung für die Landschaft bedeutete die Eindolung der Kleingewässer im letzten Jahrhundert. Heute gibt es kaum mehr feuchte oder nasse Stellen, kaum Tümpel und offene Wiesenbächlein. Denn die Hänge wurden mit einem dichten Drainagesystem trockengelegt. Etwa sechzehn Kilometer Hauptdrainageleitungen leiten das Quellwasser, welches über dem Opalinuston an den Hängen austritt, direkt zur Ergolz ‒ unterirdisch, unsichtbar. Nur aufmerksame Wanderer hören das Rauschen in den Schächten.

Der NUVRA legt auch hier einen Schwerpunkt. Manchmal sind es nur wenige Meter, die ausgedolt werden können, manchmal auch längere Bachläufe, wie etwa das 2013 auf einer Länge von hundert Metern ans Licht geholte Lörbächli.

Panzersperren zu Vernetzungskorridoren

Der jüngste Streich des NUVRA: Der Verein wollte einen ausgedienten Militärbunker kaufen – als Winterquartier für Fledermäuse. Der Bund bot den Naturschützern gleich alle vier Bunker in Rothenfluh an und dazu die gesamte Panzersperre, die von den Wäldern an den Bergkämmen auf einer Länge von 600 Metern durchs Tal verläuft. Diese Chance liess man sich nicht entgehen, denn Land ist kaum zu bekommen.

Heute zieht sich entlang des ehemaligen militärischen Bollwerks ein Vernetzungsstreifen von durchschnittlich fünf Metern Breite mit Kleinstrukturen und Krautgürtel.

Altes vergeht – Neues kommt

«Wo wir stehen, dehnte sich vor hundert Jahren ein Wald von Obstbäumen aus. Heute werden nur noch wenige unterhalten. Hochstämmer werden allein in einzelnen subventionierten Obstgärten überleben. Der Verlust schmerzt, aber das ist der Lauf der Zeit. Als Kompensation pflanzen wir, wo es geht, Feldbäume, einheimische Baumarten wie Eiche und Linde.» Bruno Erny nimmt unabänderliche Entwicklungen hin. «Man muss sich dort einsetzen, wo man Einfluss hat – in der Zeit, die einem zur Verfügung steht.»

Natürlich findet der NUVRA nicht immer uneingeschränkte Unterstützung. Am Banntag äusserte ein Redner, dass man nichts gegen die Natur habe, aber der NUVRA übertreibe etwas mit den vielen Steinhaufen. Das beeindruckt Erny nicht. Er plant weitere Steinhaufen, Ausdolungen, neue Tümpel – aktuell arbeitet er an einem Bächli für den Feuersalamander.

Anerkennung

Nach dem langen Gespräch in der warmen Herbstsonne fuhr ich mit vielen Eindrücken von Rothenfluh zurück. Bei meiner Abreise arbeitete Bruno gleich mit Schere und Säge weiter, die er die ganze Zeit in Händen gehalten hatte. Die Beharrlichkeit, gepaart mit Pragmatismus ist beeindruckend.

Ich bin dankbar, dass Bruno und der NUVRA in Rothenfluh wirken – auch bezüglich der anstehenden Melioration, der Naturschützer mit Sorge um die Kleinstrukturen entgegensehen. Aber vielleicht hat die Baselbieter Finanzknappheit immerhin den Vorteil, dass bis zur Umsetzung noch einige Zeit vergehen wird.

Jost Müller Vernier
Zuerst erschienen im WWF Magazin Region Basel vom Dezember 2015. 

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