Petite Camargue: Ausflug auf die Rheininsel
Am attraktivsten ist das Gebiet sicher im Frühling und Frühsommer, wenn die Brutvögel singen. Doch auch im Winter verbreitet das Areal seinen eigenen Charme. Speziell für Vogelkenner lässt sich einiges beobachten. Es sind die Durchzügler- und Wintergäste aus dem Norden. So lassen sich allein sechs Reiherarten entdecken und zahlreiche ornithologische Schwergewichte wie Fischadler, Kranich oder die Grosse Rohrdommel.
Für einen Besuch der neu renaturierten Rheininsel («Île du Rhin») empfiehlt sich der Zugang über das Wehr bei Märkt (D) («Barrage de Kembs», oben rechts). Als Eingang zum Herzstück der Petite Camargue mit der «Pisciculture» eignet sich das ehemalige Schleusenhaus («Maison éclusière»). Die zahlreichen Spazier- und Entdeckungswege sind ausgeschildert. (Grün: Areal der Petite Camargue Alsacienne)
Anreise: Für einen Besuch der Rheininsel («Île du Rhin») mit dem Velo via der Grenze bei Weil am Rhein zum Wehr bei Märkt («Barrage de Kembs») fahren oder mit der DB Regio bis Station "Eimeldingen" und von dort zu Fuss via Märkter Stau zur Insel laufen.
Besonderes: Es lohnt sich die Insel zu Fuss zu umrunden und die verschiedenen Beobachtungsstände zu nutzen und die Isteiner Schwellen zu beachten. Für die Beobachtung von Wasservögeln empfiehlt sich eine Pause auf der Höhe des Märkter Staus.
Dauer: 3 Stunden bis ganzer Tag
Länge: 35.5 km
Auf-/Abstiege: 137 m/138 m
Optimale Zeit: April bis Juni für Vögel, Amphibien, Orchideen; Mai bis September für Libellen, Tagfalter; Winter für rastende Zugvögel
Variante: Via Kirchener Kopf auf die Route entlang des Canal de Huningue zurück.
Hintergrundinformationen zur Rheininsel
Einst dehnte sich in der Oberrheinebene eine der grossen Auenlandschaften Europas aus. Die Petite Camargue erinnert an diesen weitgehend verschwundenen Lebensraum.
Die Rheinauen nördlich von Basel umfassten gewaltige Dimensionen: sie hatten eine Länge von rund 300 Kilometern und zuweilen eine Breite von bis zu zehn Kilometern. Typisch für solche Auenlandschaften, die ausser mit flachen Booten schwer zugänglich waren, war der Auwald, der von Überschwemmungen und hohen Grundwasserpegeln bestimmt wurde. Hier lagen auch unterschiedliche Lebensräume etwa Feucht- und Trockenstandorte eng nebeneinander. Entscheidend war die Dynamik durch den Fluss, der sich mit jedem Hochwasser neue Wege suchte und die Landschaft in Veränderung hielt.
Naturperle Petite Camargue
Eine Erinnerung an die Rheinauen erhalten wir in der Petite Camargue Alsacienne. Vor den Toren der Stadt befindet sich das inzwischen wohl wichtigste Naturgebiet der Region. Entstanden ist es in den letzten Jahrzehnten aus einer ehemaligen Fischzuchtanstalt und geformt haben es engagierte Naturschützer aus Frankreich und der Schweiz. Es ist modellierte Natur und es fehlt für eine Auenlandschaft die Dynamik des Flusses. Es fehlen aber auch natürliche grosse Pflanzenfresser wie Wisent, Hirsch oder Elch. Deshalb hilft der Mensch durch Pflege aus und versucht, die natürliche Ausgangslage herzustellen.
In der Petite Camargue wird die Rekonstruktion einer Auenlandschaft versucht – und dies mit grossem Erfolg. Das unterscheidet das Projekt von anderen naturschützerischen Bestrebungen. So sind etwa wertvolle und artenreiche Trockenwiesen und -weiden oder Flachmoore durch den Menschen entstanden, durch jahrhundertelange Nutzung durch Schnitt oder Beweidung. Mit naturschützerischer Pflege wird die ursprüngliche Nutzung, welche den Artenreichtum ermöglichte, aufrecht erhalten.
Quantensprung auf der Rheininsel
Nun ist ein Quantensprug erfolgt: Im Rahmen des ökologischen Ausgleichs für die Konzessionserneuerung des Kraftwerks Kembs wurde der sechs Kilometer lange südlichste Teil der Rheininsel bei Rosenau zwischen Kanal und Altrhein zum Naturschutzgebiet geschlagen (siehe Abbildung). Mit dem «Réserve naturelle PCA – Île du Rhin» verdoppelte sich die Fläche der Petite Camargue mit einem Schlag auf stolze neun Quadratkilometer. Die Verantwortlichen der Petite Camargue konnten in neuen Dimensionen denken. Nur das Budget blieb unverändert.
Auf der Rheininsel wurden 129 Hektaren, wo zuvor Maisäcker lagen, umgegraben. Zuunterst kam die Humusschicht, darüber wurde der Rheinkies geschoben. Entstanden ist eine steinige, offene und ökologisch wertvolle Pionierlandschaft. Hindurch ziehen sich Wasserläufe, die vom Kanal zum tiefer liegenden Altrhein abgeleitet werden. So sah es früher aus nach einem Hochwasser in der Rheinebene, wenn das Land wieder grossteils trocken gefallen war. Statt des Wassers waren es nun Bagger, die die offenen Flächen schufen.
Wisent als Gärtner?
Doch dieser Zustand bleibt nicht lange erhalten: Schon in zehn Jahren ist alles zugewachsen – weil die Dynamik des Gewässers fehlt, ebenso wie die grossen Pflanzenfresser, welche das Grün kurzhalten. So kam man auf Schottische Hochlandrinder. Diese sind in der Petite Camargue schon lange und erfolgreich im Einsatz, insbesondere in Arealen mit Gewässern.
Jetzt wird weiter gedacht. Weshalb nicht den Wisent als Pflanzenfresser einsetzen? Er durchstreifte früher die Landschaft und hielt auch mit seiner Vorliebe für Baumrinde den Baumbestand in Grenzen. Das Projekt ist noch eine Idee. Es wären aus Sicherheitsgründen nicht nur ein doppelter Haag nötig, sondern auch entsprechende Finanzmittel.
Und der Biber? «Wir erwarten ihn stündlich.» So Professor Heinz Durrer, Amphibienspezialist und langjähriger Leiter einer Forschungsstation in der Petite Camargue. «Er wird Veränderung ins Gebiet bringen. Zusätzlich wünschen wir uns aber einen eigenen Bagger – damit wir etwas nachhelfen können.»
Jost Müller Vernier