Alet - Überlebenskünstler und Geburtshelfer
Der Alet ist in der Schweiz in unterschiedlichen Gewässertypen ein weit verbreiteter Fisch, welcher auch in ökologisch beeinträchtigten Gewässern vorkommt und dem aktuellen Klimawandel standhält. Oft ist er im Schwarm unterwegs und schützt sich so vor Räubern - er selbst ernährt sich sowohl von pflanzlicher wie auch von tierischer Nahrung. Und er pflegt eine aussergewöhnliche Freundschaft mit einer vom Aussterben bedrohten Süsswassermuschel.
Lebensraum und Lebensweise
Der Alet ist in der Schweiz weit verbreitet und besiedelt von den Mittellandflüssen bis zu kleinen Alpenbächen unterschiedlichste Gewässertypen. In vom Menschen ökologisch beeinträchtigten Gewässern (Kanäle, Staubereiche) ist er oft einer der häufigsten Fische.
Der Alet ist ein Schwarmfisch ohne Revierverhalten. Das Schwarmverhalten bietet den Fischen Schutz vor Räubern und sie sind somit nicht stark auf Verstecke angewiesen. Deshalb kann der Alet auch in strukturarmen Gewässern leben. Vor allem die Jungfische halten sich eher in Ufernähe im Schwarm auf, die adulten, ausgewachsenen Fische sind in kleinen Gruppen oder auch alleine eher im Freiwasserbereich unterwegs. Dabei bevorzugt der Alet als ausdauernder Schwimmer, welcher über weite Strecken wandern kann, strömungsreiche Gewässerabschnitte. Er findet aber auch Lebensraum in Seen.
Neben seinem ausgeprägten Sehsinn verfügt der Alet zusätzlich über einen feinen Geruchs- und Geschmackssinn, welchen ihn bei der Beutesuche unter schwierigen Sichtbedingungen unterstützt. Damit kann er auch Duftsignale seiner Artgenossen und Räuber wahrnehmen.
Der Körperbau und das breite Maul ermöglicht dem Alet effizient Nahrung an der Wasseroberfläche und auch am Gewässergrund aufzunehmen. Als Allesfresser (omnivor) ernährt er sich als Jungfisch von Plankton (schwebende Organismen), Insektenlarven und Kleinkrebsen.
Später werden auch Käfer, Heuschrecken, grössere Krebse und Fische zur Beute des Alet. Auch Beeren und Kirschen, welche ins Gewässer fallen werden verzehrt. Grosse Individuen fressen sogar Amphibien und Kleinsäuger. Der Alet selber wiederum wird von grossen Seeforellen, Hechten, Zandern und Welsen gefressen.
Von April bis Juni versammeln sich hunderte fortpflanzungsfähige Fische in flachen, strömenden Gewässerbereichen mit kiesigem Untergrund. Männchen haben zu diesem Zeitpunkt zur Reizsteigerung einen rauhen Hautausschlag. Die befruchteten Eier bleiben an Steinen und Pflanzen haften und nach circa einer Woche schlüpfen bereits die Larven. Diese werden anschliessend verdriftet und versammeln sich in ruhigen Uferzonen (Schwarmbildung).
Der Alet ist ein ausgeprägter Überlebenskünstler, welcher auch in den vom Menschen stark beeinträchtigten Gewässern überlebt - dort, wo andere heimische Fischarten nicht mehr leben können! Wieso ist der Alet so widerstandsfähig? Vieles ist noch unbekannt über diese robuste Fischart, folgende Erklärungen können Hinweise zu seiner starken Anpassungsfähigkeit geben. Wie bereits erwähnt, braucht der Alet als Schwarmfisch nicht so viele Verstecke, d.h. er kann auch in strukturarmen Gewässern leben. Die Weibchen produzieren sehr viele Eier, und die Entwicklungszeit der vitalen Larven ist sehr kurz (ein bis zwei Wochen). Zudem ist der Alet widerstandsfähig gegenüber Krankheiten und Parasiten und auch tolerant gegenüber Gewässerverunreinigungen. Der Alet ist mit allen Wassern gewaschen – er erträgt Wassertemperaturen von 5 Grad Celsius bis über 30 Grad Celsius! Und schlussendlich besitzt der Alet ein natürliches Misstrauen. Zusammen mit den harten Schuppen verringert er somit die Gefahr vor fischfressenden Vögeln.
Aufgrund seiner ausgezeichneten (Über)- Lebensstrategie ist der Alet in der Schweiz und in seinem gesamten Verbreitungsgebiet nicht gefährdet. Somit muss er auch nicht gezielt gefördert werden – er ist schlau und stark genug...
Faszinierende Freundschaft
Die Bachmuschel (Unio crassus) war Anfang des 20. Jahrhunderts die häufigste Süsswassermuschel Europas. Der Alet hat sie dabei verlässlich unterstützt bei ihrer Fortpflanzung. Durch den Verlust von Kleingewässern und die Wasserverschmutzung wurde der Lebensraum für die Bachmuschel drastisch reduziert und so verbleiben in der Schweiz heute nur noch wenige Fliessgewässer, wo diese Muschel überleben kann.
Bei der Fortpflanzung der Bachmuschel entwickeln sich im Schutz der Schale der weiblichen Tiere winzige Larven. Im Sommer werden diese von ihrer Muschelmutter ins Wasser entlassen. In diesem Stadium sind die Larven nur wenige Tage alleine lebensfähig. Ihr Weiterleben hängt nun davon ab, ob ein Alet oder eine Elritze (Phoxinus phoxinus) zufällig den Boden aufwirbelt, wo sie gelandet sind und sie einatmet.
Gelangen die Larven rechtzeitig in einen passenden Fisch, verankern sie sich mit Haken und Haftfäden in den Kiemen des Fisches. Die Muschellarven ernähren sich nun vom umgebenden Kiemengewebe - das stört den Fisch aber nicht. Nach ein bis zwei Monaten lösen sich die Jungmuscheln aus dem Fisch und fallen an den Gewässergrund. Dabei hat sich ihr Lebensort womöglich mehrere Kilometer flussauf- oder abwärts vom ursprünglichen Geburtsort verlagert – eine geniale Verbreitungsstrategie!
Wissenschaftlicher Name: Alet, Squalius cephalus
Verwandtschaft: Der Alet gehört zur Familie der Karpfenfische (Cyprinidae), der mit rund 2400 Arten in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika grössten Fischfamilie.
Auf der Alpensüdseite lebt in den grossen Tessiner Fliessgewässern und Seen der Cavedano (Squalius squalus), eine eigenständige Art.
Gefährdungsstatus (IUCN): Global: LC = nicht gefährdet, Schweiz: LC = nicht gefährdet
Merkmal: schlanker, muskulöser Körper mit kräftigen Flossen. Bulliger Kopf und grosse, dunkel umrandete Schuppen.
Körpergrösse: 30 cm bis maximal 60 cm
Gewicht: Maximal circa 8 kg
Alter: Maximal 22 Jahre
Verbreitung: Der Alet bevorzugt Strömung in Flüssen, findet sich aber auch in Seen zurecht. In der Schweiz findet man ihn von den Mittellandflüssen Aare und Rhein bis in kleine Bäche in den Alpentälern (Barben- bis Forellenregion). Die Fische versammeln sich am liebsten in Deckung und im Schatten unter überhängenden Ästen von Bäumen, Brücken und Hafenstegen.
Tobias Walter, 2023