Sanft, aber unbeugsam Nachruf auf Martin Vosseler
Am 23. Oktober starb Martin Vosseler bei einem Verkehrsunfall. Der Basler Umweltaktivist und Arzt wurde 71 Jahre alt.
Da geht einer zu Fuss um die halbe Welt (2003 von Basel nach Jerusalem, 2011 von Basel nach Sankt Petersburg, 2008 von Los Angeles nach New York), überquert auf einem Solarkatamaran den Atlantik – und dann ereilt ihn der Tod beim Velofahren auf einer Basler Quartierstrasse. Dieser Tod hat etwas Absurdes.
Martin Vosseler wurde 1948 in Basel geboren. Er studierte hier Medizin. Vosseler stieg in die medizinische Forschung ein, arbeitete an der Harvard- Universität in Boston, USA. «Bis 33 hatte ich eine schnurgerade Karriere. Ich war angepasst und machte, was die Gesellschaft von mir erwartete.»
Zunehmend interessierte sich der junge Forscher für psychosomatische Medizin und komplementärmedizinische Methoden – bis er der schulmedizinischen Forschung den Rücken kehrte. Noch abrupter war Vosselers Abkehr von seiner schnurgeraden militärischen Karriere. Er hatte es bis zum Hauptmann gebracht, als er den Dienst verweigerte und dafür 1990 einen Monat in Halbgefangenschaft absitzen musste. Auslöser für seine Dienstverweigerung war ein Besuch des Peace Memorial Museums in Hiroshima gewesen, der ihn tief erschüttert hatte. Martin Vosseler schwor jeglicher Gewalt ab, auch im Denken und Sprechen.
1993 trat Vosseler erstmals als engagierter Naturschützer öffentlich in Erscheinung: Zusammen mit seinem Freund Bruno Manser fastete er 41 Tage lang vor dem Bundeshaus, um gegen den Import von Tropenholz und die Abholzung der Regenwälder zu protestieren.
Ziel aller Wanderungen, Fastenaktionen und Solarbootfahrten waren immer die Erhaltung der Schöpfung und ein «erdverträgliches» Leben, wie er es nannte. Für die Energiewende, gegen den Klimawandel, weg von Atomenergie und fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbarer Energie aus Sonne, Wind und Wasserkraft. Vosseler postulierte eine «planetare Ethik». Man müsse Verantwortung übernehmen für die «Bewohnbarkeit unseres Planeten», für alle Menschen, auch für alle kommenden Generationen, und für alle Lebewesen.
Martin Vosseler gründete den Schweizer Zweig der «Internationalen Ärztevereinigung zur Verhütung eines Atomkriegs» (PSR/IPPNW Schweiz). Er war Mitgründer einer ganzen Reihe weiterer Umweltorganisationen, darunter Ökostadt Basel, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, sun21, transatlantic21, Stiftung Sonne Schweiz.
Viele Baslerinnen und Basler wurden mit der Auseinandersetzung um die Zollfreistrasse zwischen 2004 und 2006 auf Martin Vosseler aufmerksam. Diese Strasse zwischen Weil am Rhein und Lörrach, entlang der Wiese über Schweizer Gebiet, stiess in Basel auf erheblichen Widerstand. Eine führende Person in diesem Widerstand war Martin Vosseler. Im Protestcamp an der Wiese ketteten sich Vosseler und weitere Protestierende an die Bäume, die der Strasse weichen sollten. Das Camp wurde geräumt, worauf Vosseler in den Hungerstreik trat. Die Basler Regierung liess die Bäume in einer zweifelhaften Aktion fällen – es stand die Abstimmung über die Wiese-Initiative an – und der Bau der Zollfreistrasse begann.
Mit seiner Vorbildfunktion, seiner Freundlichkeit und seiner Zuversicht, die er nicht zuletzt aus seinem Glauben schöpfte, konnte Martin Vosseler Menschen überzeugen und bewegen, sich für den Natur- und Umweltschutz einzusetzen. Sie werden sein Werk fortführen.
Markus Bär
Erschienen im WWF-Magazin Region Basel, November 2019